Der Twitter-Account @rheinbahn_intim und der Blog belauscht.de machen es vor: Die Stadt schreibt die besten Geschichten – man muss nur zuhören. Und schnell mitschreiben.
Das Schöne an Wortskizzen ist, dass man alle fünf Sinne miteinbeziehen kann. Natürlich denken wir in erster Linie an Bilder und Szenen, die wir sehen. Das kommt daher, dass wir über den Sehsinn den größten Teil unserer Umwelt wahrnehmen.
Wer im Park an einem Sommertag die Augen schließt, kennt das: Plötzlich riecht man die Sonnencreme auf dem Arm und den herüberwehenden Grillgeruch. Man schmeckt noch das Vanilleeis, das man gerade gegessen hat. Und man hört das Hundegebell am anderen Ende der Wiese, das Ploppen sich öffnender Bügelbierflaschen und das Gespräch zweier Mädchen über letzte Nacht.
Die Ohren kann man nicht so einfach schließen. So bekommt man in den Parks, Cafés und öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt unwillkürlich mit, was andere Menschen bewegt. Zumindest teilweise. Denn meist ist es eben nur ein Ausschnitt, den wir hören, eine Verdichtung des Gesprächs. Ein paar Zeilen, die uns erzählen, wer da hinter uns in der Straßenbahn sitzt, ohne dass wir uns umdrehen müssen.
Genau aus diesem Grund ist seit ein paar Jahren der Blog belauscht.de – Deutschland im O-Ton so beliebt. Hier kann jeder kleine Geschichten einsenden und damit weitergeben, was sich verbal so in deutschen Städten abspielt. Die Einträge enthalten jeweils den Namen der Stadt, eine kurze Beschreibung der Szenerie sowie das Mitgehörte als Zitat. Sie erinnern von ihrer Struktur her an Witze und tatsächlich geht es hier vor allem um lustige Momente. Was funktioniert: Als ich die Seite damals entdeckte, habe ich mich schon nach wenigen Posts nicht mehr eingekriegt vor Lachen.
Erkan Dörtoluk hat diese Form des urbanen Schreibens noch ein Stück weitergedacht: Unter dem Namen @rheinbahn_intim twittert er, was er in Düsseldorf beim Bahnfahren hört. Bei 140 Zeichen bleibt hier nur noch Platz für die reinen Zitate. Die Essenz einer Kommunikation. Neben dem ausgewählten Mitschnitt denkt sich Dörtoluk einen Bände sprechenden Namen samt Alter aus. Damit skizziert er uns mit wenigen Buchstaben und einer Zahl, wie die Menschen aussehen und sich verhalten, von denen er das Gesagte als Geschichte verpackt.
Es gibt Skizzen, die enthalten nur wenige Striche und trotzdem erkennen wir ein ganzes Gesicht. Umso weniger da ist, desto mehr denkt sich unser Gehirn dazu. Nur muss das Wenige eben gut gewählt sein, damit sich daraus so viel wie möglich entfalten kann.
Lasst uns also auf die Straße gehen, in den nächsten Bus einsteigen und zuhören, was die Stadt uns erzählt. Eine erste Audio-Skizze notieren und uns daraus eine neue Sprachminiatur basteln.