Bei IKEA heißt ein Waschbecken GUTVIKEN. Wie kommt man denn auf sowas? Anja Stähler ist Country Translation Coordinator bei IKEA Deutschland. Sie kümmert sich um das Corporate Wording und die Übersetzungen ins Deutsche. Und kann uns da einiges zu erzählen.
IKEA hat eine Corporate Language entwickelt, die jeder sofort wiedererkennt. Ein Teil dieser Sprache sind die auffälligen Produktnamen. KLIPPAN, BILLY, EKTORP – wie kommt man auf solche Namen?
Anja Stähler: Das Thema Corporate Language ist sehr vielfältig und nicht immer einfach umzusetzen. Was macht ein Unternehmen neben dem Logo und einer gewissen Farbgebung unverwechselbar? Der Tonfall? Die Wortwahl?
Im Fall von IKEA tragen die Produktnamen sicherlich dazu bei, dass die meisten Menschen sofort erkennen, ob es sich um einen Gegenstand aus dem schwedischen Möbelhaus handelt oder nicht. Daher ist die Wahl eines passenden Produktnamens natürlich für unsere Markenidentität enorm wichtig.
Für IKEA Produktnamen werden Wörter, Namen oder Orte aus dem skandinavischen Sprachraum verwendet. Was auf den ersten Blick vielleicht wahllos erscheint, basiert auf einem ausgeklügelten System. So tragen beispielsweise Sofas, Sessel oder Couchtische meistens schwedische Ortsnamen (z. B. KLIPPAN, EKTORP), Badezimmerartikel sind nach Flüssen und Seen benannt (z. B. VÄTTERN, RACKEN), Meterware und Gardinen haben weibliche Namen (INEZ, BRITT usw.) und Stühle und Schreibtische Männernamen (JONAS, MARKUS etc.).
Produkte aus dem Kindersortiment werden oft mit Adjektiven beschrieben (z. B. GOSIG Kuscheltiere sind kuschelig). Bei Küchenutensilien wird die Funktion beschrieben oder ihre „Nützlichkeit“ (STORSINT Karaffe ist großzügig; BEHÖVA Messbecher, den brauchen alle; VARDAGEN Küchenmaß oder Messbecher sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken).
Stimmt es, dass es nur zwei Angestellte gibt, die sich diese Namen für alle IKEAs weltweit ausdenken?
Ob es genau zwei Angestellte sind, kann ich Ihnen nicht sagen; aber es stimmt, dass es ein Team in Schweden gibt, das sich um die Namensfindung für unsere IKEA Produkte kümmert.
Da kommen doch bestimmt auch mal Vorschläge, die für deutsche Kunden eher komisch oder zweideutig klingen. Haben Sie ein Mitspracherecht bei der Namensgebung?
Was die finale Namensgebung angeht, so gibt es ein begrenztes lokales Mitspracherecht. Das schwedische Produktnamenteam ist sensibilisiert, dass es in einigen Ländern immer wieder zu lustigen oder peinlichen Doppeldeutigkeiten oder Aussprachen der schwedischen Begriffe kommen kann. Daher werden manche potenziell kritische Namen vorher zur lokalen Prüfung geschickt.
In Deutschland – aufgrund der nicht korrekten Aussprache – führen Namen mit dem Bestandteil -vik oder -viken, egal ob zu Beginn, in der Mitte oder am Ende eines Wortes, doch zu allgemeiner Erheiterung und sind die Quelle anzüglicher Wortspiele. Denken Sie nur an das Waschbecken GUTVIKEN, welches nach einem Ort in Norwegen benannt wurde. Dabei bedeutet Vik nichts anderes als „Bucht“.
Dass diese Wortkombination in Deutschland nicht besonders gut funktioniert, wird normalerweise bei der Produktnamensgebung berücksichtigt. Dennoch lässt sie sich nicht immer vermeiden. Sonst könnten nur noch sehr wenige skandinavische Ortsnamen Pate stehen.
Auch Silben wie kak oder kakor (im Schwedischen ganz harmlos alles, was mit „Kuchen und Keksen“ zu tun hat) sorgen im Deutschen dafür, dass das Niveau auf Kindergartenhumor absinkt.
Sofern ich also ein „Veto-Recht“ habe, erhebe ich bei übermäßig anzüglichen Kombinationen Einspruch. Es gab vor ein paar Jahren eine Osterkollektion von IKEA namens KACKLING. Was in Schweden als harmlose Wortneuschöpfung gedacht war, die das Gackern von Hühnern imitieren sollte, wirkte in Deutschland auf alle doch eher sehr erheiternd.
Und wie sieht’s in anderen Ländern aus?
Nun ist Deutsch der schwedischen Sprache zumindest vom Stamm her recht ähnlich; wenn wir uns das Thema weltweit ansehen, wird es wirklich schwierig, auch für sehr sprachgewandte IKEA Mitarbeiter.
Ein Beispiel aus Thailand: RENDALEN, ein kleiner Ort in Norwegen, klingt für thailändische Ohren sehr nach dem Wort für „Oralverkehr“. Dass das Produkt, ausgerechnet ein Bett, kein besonderer Verkaufsschlager war, versteht sich von selbst.
Sprache ist und bleibt ein vielseitiges und spannendes Gebiet, und als globales Unternehmen mit Wurzeln in Schweden wird es nicht langweilig. Auf dem IKEA Unternehmensblog gibt es ein schönes Beispiel für interkulturelle, sprachliche Missverständnisse zum Thema fika, der schwedischen Kaffeepause. Auch bei unseren deutschen Kolleginnen und Kollegen hat die Aussprache dieses Wortes für den einen oder anderen Lacher gesorgt!
Können Sie denn Schwedisch?
Richtig können wäre zu viel gesagt, aber ich verstehe geschriebenes Schwedisch zumindest so gut, dass ich einschätzen kann, worum es geht. Während meines Studiums hatte ich aus Spaß drei Semester Schwedisch belegt, weil ich etwas Ungewöhnliches ausprobieren wollte – nicht wissend, dass ich diese Kenntnisse tatsächlich irgendwann einmal brauchen würde.
Ich gebe aber zu, dass das schon gute 20 Jahre her ist und ich, wenn ich mir meine Unterlagen ansehe, damals deutlich besser Schwedisch konnte als jetzt. Aber wie gesagt, fürs Grobe reicht’s. Und da die Unternehmenssprache Englisch ist, läuft der Schriftverkehr mit den globalen Kolleginnen und Kollegen überwiegend auf Englisch.
Wie sind Sie zu diesem tollen Job gekommen?
Zur rechten Zeit am rechten Ort nach einer neuen Aufgabe gesucht. :-) Von Haus aus bin ich diplomierte Anglistin; lange Jahre war und bin ich als Übersetzerin und Lektorin freiberuflich tätig. Nach einer sechsjährigen Episode im internationalen Bankenwesen wollte ich wieder zurück zu meinen Wurzeln und etwas mit Sprache und Übersetzungen machen. So bin ich vor gut elf Jahren in der Deutschlandzentrale von IKEA in Hofheim-Wallau gelandet. Und langweilig war mir seitdem nie!
Zum guten Schluss natürlich die Frage: Was ist Ihr Lieblingsproduktname?
Einen einzigen Favoriten habe ich eigentlich nicht. Ich mag generell Produktnamen mit einer schönen Bedeutung. Ein Name, der mir gut gefällt, ist „GODMORGON“, so heißt eine Badezimmerserie: Guten Morgen (sprich: „gu(d) moron“). Ich finde, mit einem „guten Morgen“ lässt sich richtig gut in den Tag starten.
Auch mag ich GENOMTÄNKT, der Name eines Kaffeemaßes (sprich: „jenomtänkt“), was durchdacht bedeutet. Auf einen Produktnamen warte ich aber noch: „översätta“ – übersetzen. Was das wohl sein könnte?