Kreativ lesen: Kassenbon-Poesie

Lasst uns schöne Wörter auf Kassenbons entdecken und sie als Basis für einen Text nehmen. Oder gleich ganz zu Kassenbon-Poesie erklären. Inspiration liefern die beiden Künstlerinnen Ceal Floyer und Susann Körner.

Kassenzettel

Vor einiger Zeit klebte im Lenbachhaus in München ein Kassenbon an der Wand. Ein schmaler Bon in einem länglichen Flur, weiß auf weiß. Da ist man schon drei Schritte weiter, bevor man realisiert: War das da gerade ein Kassenbon?

Die britische Konzeptkünstlerin Ceal Floyer hat für Monochrome Till Receipt (White) Dinge in einem Supermarkt gekauft, die weiß sind (Handcreme, Mozzarella, Salz, Kaugummi). Es entsteht ein modernes Stillleben, ein Gemälde mit Worten auf einem Stück Papier, das wir tagtäglich ablehnen (Kassenbon? – Danke, brauch ich nicht.) oder hektisch zerknüllen und in den Beutel schmeißen. Und allenfalls genau studieren, wenn wir vermuten, dass uns die Tiefkühlpizza drei Mal abgerechnet wurde, obwohl wir nur zwei gekauft haben.

Das erinnerte mich an Susann Körner und ihre Kassenbongedichte. Einmal die Poesie der Kassensprache entdeckt, ging Körner in die Supermärkte und stellte sich ihre Einkäufe extra so zusammen, dass ein Gedicht entstand. Lebensmittel, Markennamen und technisch bedingte Abkürzungen vereinen sich zu solch wunderbaren Wortkreationen wie PETRI PETRELLA, MANGO MELODY oder LUST MOZZARELLA. Was für ein Ausgangspunkt für ein bisschen Alltagspoesie! Und wenn man erst einmal selbst darauf achtet, wird man schnell fündig: Meine Lieblingszeilen der letzten Woche sind AVOCADO HASS und die gelungene Abkürzung „ERBENEINTOPF“ für eine Dose Erbsensuppe.

Drei Dinge können wir uns nun von diesen beiden Künstlerinnen abschauen:

  1. Die Beschäftigung mit Kassenbons ist eine gute Möglichkeit, unsere eigene Achtsamkeit zu schulen und urbane Wortentdecker zu werden.
  2. Gleichzeitig überraschen wir unsere Leser, indem wir Alltägliches auf ungewöhnliche Weise aufbereiten und dadurch den Blick darauf lenken.
  3. Wir müssen nicht immer selbst erfinden, sondern können ebenso mit unseren neu gefundenen Worten spielen.

Bei den nächsten Einkäufen also einfach mal drauf achten: Sind da lustige, inspirierende, wohlklingende Wörter dabei? Kann man da was draus machen? Vielleicht entsteht am Ende ein kleiner Text, der gar nichts mehr mit dem eigentlichen Zettel zu tun hat. Vielleicht ist der Kassenbon auch selbst schon ein kleines Gedicht.

Ich habe mal einen Einkaufszettel im Regio auf dem Boden gefunden, der zwei Zeilen enthielt: „Kasseler / Laufschuhe“. Große Geschichten auf einem kleinen Zettel.

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